Es war am letzten Tag des Schuljahres, also in einer Phase, in der immer sehr viele unterschiedliche Emotionen zusammenkommen und sich nicht immer zu einem fröhlichen Ergebnis vereinen. Eine Pensionierungsfeier zweier verdienter Personen im heißen Festsaal, enorm viele lobende Beiträge waren angekündigt, dazu kaltes Buffet und Getränke. Pflichttermin, einerseits weil ich beide Kolleg:innen sehr schätze, andererseits, weil es sich gehört. Nach zwei Stunden ab nach Hause und im Sommerloch verkriechen. Soweit die Vorbedingungen.
Der Vormittag nimmt seinen Lauf, alles wie erwartet und sehr heiß. Mancher Beitrag entlockt sogar ein nur zur Hälfte gespieltes Lächeln, mancher Applaus, mancher ist zu lang, die tiefgründigen Gedanken des Kollegen S. wie immer hervorragend formuliert und dargebracht. Es wäre nun an der Zeit, auszutrinken und sich unauffällig zu verdrücken, niemandem würde es auffallen, einige sind schon weg. Nur das nette Gespräch mit meiner Tischnachbarin hält mich noch hier. Zwei Kolleginnen und zwei Kollegen betreten die Bühne und nehmen Aufstellung, um bestimmt noch ein lustiges Lied für die beiden zu singen. Juhu. Die Höflichkeit gebietet, jetzt nicht aufzustehen, also bleibe ich selbstverständlich sitzen.
Und dann passiert es: Die vier fangen an und schon nach den ersten fünf Worten ist es um mich geschehen. Ein innerer Ruck geht durch mich und richtet mich auf, meine Aufmerksamkeit ist voll und ganz auf der Bühne. Ohne es zu wissen, haben die vier eines meiner magischen Lieder ausgewählt. Sie singen sehr schön zusammen und ich kann, ja will mich der Wirkung nicht entziehen, ganz im Gegenteil möchte ich in die Melodie und den so schönen Text hineinfallen. Es wäre sinnlos sich zu wehren und ehe ich es bemerke, singe ich leise mit. Das bleibt nicht unbeobachtet, leuchtende Blicke fliegen zwischen Chor und meinem Platz hin und her, getragen werden sie von dem unbeschreibbaren Gefühl irgendwo zwischen Lebensfreude, Ergriffenheit, Sehnsucht und Schönheit, das nur gemeinsames Singen hervorrufen kann.
In diesem Moment ist mir so klar wie nie zuvor bewusst geworden, wie viel mir das Singen mit anderen bedeutet und geben kann. Meine Annahme, dass mich in meinem emotionalen Loch keine Musik erreichen kann, stimmte nur zum Teil: Musik nur zu hören wäre an diesem Punkt sinnlos bis unerträglich. Aber selbst zu singen und den Gleichklang mit anderen dabei zu spüren kann manchmal echte Wunder bewirken und ins Gefühlsleben zurückholen.
Wie der Vormittag endete ist nicht schwer zu erahnen. Es wurde Abend und ich war am nächsten Tag komplett heiser. Aber jede Minute hat sich gelohnt. Tausend Dank, Hedi Preissegger!