Die Welt als Ganzes wird immer komplexer und unverständlicher, kein Mensch kann alle Zusammenhänge und Hintergründe kennen und deshalb ein verlässliches Gesamturteil über alle Geschehnisse seiner Zeit abgeben.
Je weiter entfernt und von je größerer Bedeutung diese Geschehnisse und ihre Auswirkungen sind, desto weniger genau wird sein Urteil ausfallen.
Jedes relevante politische Ereignis beinhaltet Vor- und Nachteile für unterschiedliche Personengruppen.
Wenn man diese Sätze als wahr annimmt, steht man vor dem Problem, dass man auch akzeptieren muss, dass man sich zu aktuellem Weltgeschehen nicht äußern kann, ohne auf Vermutungen angewiesen zu sein. Abhilfe könnten Vermittler (“Medien”) darstellen, die von Experten mit besonderem Detailwissen und Erfahrung auf dem jeweiligen Gebiet erstellt werden und Sachverhalte mit absoluter Objektivität darstellen.
An dieser Stelle ergibt sich aus meiner Sicht allerdings das Paradoxon, dass gerade Menschen, die sich lange und intensiv mit einer Thematik befassen, beinahe zwangsläufig ihre Neutralität verlieren und ihre eigene Meinung, von der sie ja mit einigem Recht nach harter Arbeit überzeugt sind, zu einer der beteiligten Gruppen tendiert. Sie treffen also eine bewusste oder unbewusste Entscheidung, die dann auch in ihre Produkte einfließt und diese dann als objektive Informationsquellen ausschließt oder zumindest abwertet.
Andere Medien, die über keine Experten verfügen, können keine fundierten Informationen liefern. Das hält sie nicht auf, trotzdem diesen Anschein zu erwecken, sie beziehen ihre Kenntnisse aus anderen Medien oder Presseagenturen und bereiten sie dann für ihre Konsumenten auf. Je größer diese Medien sind, desto einflussreicher ist der politische oder ökonomische Einfluss und desto geringer muss also auch ihre Glaubwürdigkeit sein. (“The Prophet exists to sell itself, you silly girl.”1Rita Skeeter, 2003)
Man kann also schlicht nicht darauf vertrauen, durch Medien objektiv informiert zu werden und muss akzeptieren, dass man durch sie beeinflusst wird und sich mit Teilwissen begnügen muss. Daraus folgt, dass man entweder zu allen Vorgängen in der Welt lediglich Vermutungen und Meinungen äußern kann, die nur sehr bedingt auf Fakten gestützt sein können. Oder man muss zu diesen Vorgängen schweigen. Da man aber nicht denken kann, ohne zumindest in Gedanken zu sprechen, würde dieser Weg bedeuten, dass man das Denken über die Welt beenden müsste.
Ich halte mich also an Faust: “Bilde mir nicht ein, was Rechts zu wissen, Bilde mir nicht ein, ich könnte was lehren” Wir glauben zwar vieles zu wissen, doch fehlt auch uns heute der Blick darauf, was die Welt im Innersten zusammenhält. Der Kern der Gelehrtentragödie ist also im Endeffekt über uns alle gekommen, auch wenn die Wenigsten heute als “Gelehrte” gelten können und es den meisten nicht bewusst sein dürfte, dass sie von ihm betroffen sind. Wir können in unseren hohen gotischen Zimmern die Welt nicht erfassen. Was würde Mephistopheles doch für Freude an uns haben! Und wie viel Arbeit!
(Ich habe das Gefühl, dass dieser Text noch gelegentlich überarbeitet wird…)